Von der Tristesse in die schöne heile Welt

SV Ried – SK Sturm Graz 0:1
Samstag, 20. September 2014,18:30 Uhr
Rieder Stadion, 4.200 Zuschauer (ca. 400 Sturmfans)
Bundesliga 2014/15, 9. Runde

Samstagmittag, alte Liebenauer Endstation, Abfahrt zu einem Auswärtsspiel

Dieses Szenario, welches in den letzten Jahren so oft freudig erwartet, um nicht zu sagen herbeigesehnt wurde, nachdem eine weitere Woche im Alltag des eigenen Lebens verstrichen ist und man sich nach Arbeit, Uni oder der Suche nach dem Sinn einfach aus dem Grau befreien konnte, um sich dem Schwarz-Weißen hinzugeben – es stand wieder einmal auf dem Plan. Doch irgendwie… dieser samstägliche Treffpunkt führte einem dieses Mal vor Augen, dass irgendetwas scheinbar nicht mehr so ist, wie es einmal war. Selbst war man wie immer viel zu spät dran und aufgrund von notorischer Unpünktlichkeit, die vor allem an Samstagen auf eine durchtanzte Freitagnacht zurückzuführen ist, bereits im Stress unterwegs zu eben jenem Treffpunkt. Während das Frühstück eher karg war und ein Mittagessen naturgemäß sowieso flach fiel, war die Erwartung, wieder einmal als Begrüßung den einen oder anderen Spruch zu hören zu bekommen, was die Einhaltung von Treffpunkten anging. Doch von diesen lieb gewonnen Nicklichkeiten war heute nix zu hören. Viel eher wich der Stress nach Ankunft der Verwunderung. Ein selten gesehen kleines Häufchen, das die Reise nach Ried antreten wollte, fand sich zu diesem Zeitpunkt am Abfahrtsort ein. Während es daran ging, noch schnell, schnell das Material für diesen Trip bereitzustellen, trudelten zwar aus allen Richtungen noch die diversen kleinen Grüppchen ein, doch im Endeffekt wirkten die einen so, als würden sich hinter ihren Sonnenbrillen äußerst überstrapazierte Augenpaare verbergen, die dringend eine Mütze voll Schlaf vertragen würden, während die anderen offen und ehrlich zugaben, dass es heute (wieder einmal) Überwindung gekostet hatte, Familie und FreundInnen zu Hause bei bestem Wetter zurückzulassen. So war es im Endeffekt nur ein gemeinschaftlich gefüllter Szenebus, der sich bis auf wenige Ausnahmen äußerst unmotiviert in Richtung Innviertel in Bewegung setzte. Irgendwie fühlte man sich zu diesem Zeitpunkt beinhart angekommen in der Tristesse der österreichischen Bundesliga. Nach 8 absolvierten Runden hing bereits wieder einmal die gesamte Liga den davongezogenen (wenn auch ungewohnten bzw. schwächelnden) Meisterschaftsaspiranten hinterher und zwischen Europacup- und Abstiegsplatz lagen gerade einmal 5 Punkte. Dass der SK Sturm seit Jahren hauptsächlich durch eines auffällt, nämlich alarmierende Inkonstanz, wirkte sich auch nicht positiv auf’s Gemüt aus.

Busse auf Touren

Doch würde man sich das Ganze nicht immer wieder sogar widerwillig antun, gäbe es nicht doch jedes Mal die Hoffnung auf einen gelungenen Tag, der sich trotz allem auch während dieser Busfahrt langsam aber sicher anbahnte. Neben Getratsche über Gott und die Welt beziehungsweise Milanic und Leeds hieß es einfach wieder einmal, sich selbst dazu zu zwingen, gute Laune aufzubauen und doch ein wenig Feuer zu verbreiten, um nicht in einen schläfrigen Wachkoma-Zustand zu verfallen. Das gelang irgendwie, auch hier wieder der Erkenntnis zum Trotz, dass nach dem bevorstehenden Trainerwechsel von Darko nach England Kontinuität zum x-ten Mal wie ein Wunschtraum verpuffte und die kolportierten Nachfolger auf das Amt des Chefcoachs eher Verzweiflung als Vorfreude hervorriefen. Nichtsdestotrotz waren bereits wieder viele guten Mutes, als man in obersteirischen Gefilden noch den ein oder andren Mitfahrer aufgabelte, während andere noch gegen ihren toten Punkt kämpften. Neben dem Bus aus Graz, der langsam auf Touren kam, machten sich an diesem Tag auch einige Neuner und Autos auf den Weg, um im Anschluss an das Spiel des SK Sturm weiter nach Baden-Württemberg zu gondeln, wo am nächsten Tag das Spiel KSC gegen den 1. FCN anstand und mit einem Bus der Elite Nord und der bekanntermaßen recht motivierten OÖ-Fraktion an Sturmfans waren es dann um die 400 supportwillige Schwarz-Weiße im kleinen aber feinen Rieder Away-Block.

Auswärtsblock im Rhythmus, Spieler auf Abwegen und die schöne, heile Welt

Natürlich wurde dieser Block schon weit besser gefüllt, doch an diesem Tag sollte sich, zumindest was das Singsang des SK Sturm betraf, wieder einmal ein alt bekanntes Phänomen einstellen – je weniger Leute, desto stilvoller der Auftritt. Nur klassisch, kurz, knapp und oberflächlich kann wie immer auch die Beurteilung des Gegenübers ausfallen: „Aufgrund der eigenen Gesänge“, waren Supras, Glory Boys und Co „naturgemäß akustisch nie zu vernehmen. Zu gefallen wussten lediglich“ eine fette, grüne Rauchwolke zu Beginn der zweiten Halbzeit und der ausdauernde Fahneneinsatz inklusive ein wenig Bewegung. Die Rieder Szene dürfte aber insgesamt auf allen Ebenen auch schon bessere Tage erlebt haben.

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Die Unterstützung der Mannschaft von Seiten des Gästeblocks begann schon mit dem einen oder anderen Geträller während des Aufwärmens und war spätestens mit Spielbeginn mehr als in Ordnung. Man konnte wie immer die gute Akustik des Rieder Auswärtssektors zu den eigenen Gunsten nutzen. Und im Gegensatz zum Spiel auf dem Feld, das von der Heimelf dominiert wurde, machte das Ganze einiges an Spaß. Gute Liedwahl, ein bisschen Bewegung und ein netter Flow breiteten sich im Sektor aus. Und auch ein weiteres „riedtypisches Ding“ war durch die extreme Nähe zur angrenzenden Längstribüne wieder einmal zu beobachten. Blickkontakt kann man da nämlich mit der ganzen Bandbreite an StadionbesucherInnen aufnehmen. Da freut man sich dann über die kleinen Kids, die mit ihren Eltern zum Trommelbeat aus der Kurve mitklatschen, ist ob der prolligen Pöbler aller Altersstufen aus dem Gäste-Anhang amüsiert oder stellt wieder einmal fest, dass man sich hier auf wenigen Quadratmetern in einer ganz eigenen Welt befindet. Eine Welt, in der ein kleiner Kreis an Menschen in einem Eck eines Fußballstadions steht und ohne jeglichen logischen Grund, wie zum Beispiel ein gutes Spiel der eigenen Mannschaft, eine kleine Fete feiert. Eine Fete, die dann auch für viele andere Stadionbesucher einen größeren Blickfang darzustellen scheint, als der grottige Kick am grünen Rasen. So bleiben auch von diesem Tag wieder einmal viel mehr spontane Klatscheinlagen und Rhythmuswechsel zu altbekannten Chants, Pogos, Wechselgesänge und ungläubige Blicke vom Rest des Stadions, wenn plötzlich der Toar-Roar durchs Oval donnert, weil Sturm zumindest effizient war und kurz vor Schluss aus der gefühlt einzigen Torchance den Siegestreffer erzielte, in Erinnerung, als eine schöne Form des wunderschönen Spieles namens Fußball. Ob die in der Emotion erste getätigte Analyse „Der SK Sturm ist wieder da“ wirklich eine zulässige Interpretation der aktuellen Situation war, darüber darf wie immer genüsslich diskutiert werden. Jedoch verdeutlicht der Verlauf dieses Tages wieder einmal, warum man sich trotz aller Widersprüche doch immer wieder aus dem Bett quält, die Tanzfläche verlässt oder die Seinen alleine zu Hause Backgammon spielen lässt – weil Fußball mit all seinen Facetten einfach zu schön ist und solche Fahrten einfach trotz der schlechtesten Voraussetzungen ein rundum positives Gefühl in einem auslösen können, das man nicht ein einziges Mal missen will. Und so kam es nach einem Start aus der Kategorie „Ois für’n Oasch“ dazu, dass Kurve und Spieler nach dem Spiel gemeinsam einen Sieg feierten und sich bereits gemeinsam für die bevorstehende Fahrt zum absoluten Pokalkracher gegen Austria Soizburg einsingen konnten.

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Unwichtig auch, dass einzig und allein Fortuna zu diesem freudigen Ereignis verholfen hat, bei umgekehrter Laune der Glücksgöttin wohl alles schlecht gewesen wäre und man in Graz, nach einem weiteren Trainerwechsel, der am nächsten Tag per emotionaler Pressekonferenz bestätigt wurde, wieder einmal am Nullpunkt angekommen wäre. An dieser Stelle sei zur anstehenden Rotation auf der Trainerbank noch gesagt, dass das letzte Spiel von Darko Milanic irgendwie bezeichnend war, zwar gewonnen und somit ein vermeintlicher Fortschritt, aber die Leistung mal wieder eher katastrophal als erfreulich. So bleibt es, auf eine 15-monatige Amtszeit zurückzublicken, in der zwar Entwicklungen stattfanden, die aber trotz allem von zu vielen Rückschlägen geprägt war, als dass man dem Slowenen mit schwarz-weißem Herz wirklich nachweinen könnte. Viel eher gönnt man ihm die gebotene Chance und auch der Klubkassier darf sich ein wenig freuen. Aber gut, Feste soll man ja bekanntlich feiern, wie sie fallen, und so durfte zum Abschied von Milanic aus einer morgendlichen Tristesse auch nochmal eine schöne, heile Welt werden. Und auch wenn an diesem Tag in Ried die Spätsommersonne auf den schwarz-weißen Block gelacht hat, so darf es am Ende dieses subjektiven Rückblicks auf diesen Samstag nach dem 19.09. folgendes Zitat sein: „Leben heißt nicht zu warten, dass der Sturm vorüberzieht, sondern lernen, im Regen zu tanzen“.

Immer weiter Schwoaze, der nächste heiße Tanz wartet bereits am Dienstag auf uns!
Viola Merda!
Hvala Darko, good luck!

15/4/12