Vorsichtiger Optimismus

SK Sturm Graz – SV Grödig 1:0
Samstag, 04. Oktober 2014, 18:30 Uhr
Stadion Liebenau, 9.113 Zuschauer, 11 (selbst gezählte) Gästefans
Bundesliga 2014/15, 11. Runde

Ein durchaus ansehnlicher Besuch war es (darunter löbliche 800 aus einem SOS Kinderdorf), der sich letzten Samstag in Graz-Liebenau einfand. Ansehnlich wohl, weil bei vielen Sturmfans wieder einmal so etwas wie Euphorie eingekehrt ist: Euphorie wegen einer weiteren nicht unumstrittenen Personalentscheidung unseres Vereines zu Beginn der letzten Woche. Am vorigen Montag sickerten die Gerüchte (und SMS) endgültig durch und der neue (alte und noch frühere) Trainer sollte Franco Foda werden.

Die Reaktionen darauf konnten unterschiedlicher nicht gewesen seien. Der Standpunkt der aktiven Fanszene bzw. des Kollektiv1909 wurde vor dem Spiel ausdrücklich widergegeben (HIER LESEN) und während des Spiels in Form zweier Spruchbänder dargelegt und bestärkt. Die Mannschaft sollte an diesem Abend aber wieder mehr vom gut gefüllten Stadion und der Atmosphäre profitieren und daher nicht direkt von den Diskussionen betroffen sein.

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Super-Marco unbelohnt

Trainereffekt. Ein viel und oft strapaziertes Wort, wenn ein neuer Trainer bei einem Klub ist und dieser prompt ein Erfolgserlebnis feiert. Trotzdem merkte man in Halbzeit eins recht wenig davon. Ein, zwei gute Möglichkeiten. Die beste hatten da noch die Gäste aus dem Vordorf von Anif in der Anfangsphase. Angepeitscht von mindestens gleich vielen mitgereisten Fans, wie Blau-Weiße am Rasen standen, reichte es für Philipp Huspek jedoch nur zur Außenstange. Dazu die eine oder andere Unsicherheit beim neuen Stammtorhüter (die er fairerweise im Laufe des Spiels jedoch ablegte) und eine durch den Ausfall von Christian Klem abgeänderte Verteidiger-Reihe mit dem oftmals überforderten Aleksandar Todorovski links und einem soliden Comeback von Martin Ehrenreich rechts. Mehr braucht man aber über die erste Spielhälfte nicht verlieren. Tristesse.

Wie ein Feuerwerk dann Halbzeit zwei. Minute 50: Marko Stankovic mit einem schönen Ball in den Lauf von Marco Djuricin, der zwar richtig abgeht, aber leider seinen Lauf über gut 30 Meter nicht in einem Tor finalisieren konnte, da sein U21-Teamkollege Cican Stankovic zwischen den Pfosten der Grödiger weiß, wie Sturms bester Torschütze tickt. Auch danach fand Djuricin zweimal, dreimal seinen Meister in Stankovic. Alle Drehungen, alle Alleingänge und alle Schussversuche blieben zunächst unbelohnt. Weitere Chancen aus Weitschüssen, Kopfbällen und Strafraumsituationen bewegten den Ball ebenso wenig über die weiß-markierte Kreidelinie. Dafür bewegten sie mit Dauer der Zeit die Anhängerschaft zu immer lauteren Parolen und zu einer ausgesprochen mitreißenden Stimmung. So hatte man auch wieder einmal in einem Heimspiel das Gefühl, dass man durch wiederkehrende, gesangstechnische Höhepunkte die Mannschaft längerfristig an sich binden konnte.

Hassfigur als Matchwinner

Franco Foda dreht im ersten Moment jubelnd ab, im zweiten Moment gestikuliert er – wild auf seinen Kopf zeigend – in Richtung Anel Hadzic, welcher ihm nach seinem ausgelassenen Jubel die selbe Geste zurückschickt. Denn Köpfchen bewiesen die Schwarzen nur wenige Augenblicke zuvor. Die Grödiger provozierten schon die Minute zuvor das Gegentor, indem zunächst Torhüter Stankovic einen unbedrängten Fehlpass ins Seitenout abgab und daraus folgend eine äußerst vermeidbare Ecke entstand. Marko Stankovic und Co. probierten daraufhin eine Trick-Variante, wie sie bei der Weltmeisterschaft praktiziert wurde – kurzes Abspiel, während sich die Abwehrreihen noch auf die Ordnung im Strafraum konzentrieren, Daniel Offenbacher geht zum bereits unbemerkt abgespielten Ball und flankt völlig überraschend auf den zweiten Pfosten. Obwohl fast ausschließlich Blaue im Strafraum waren, konnten Hadzic (per Kopfablage auf den Fünfer) und Torschütze Djuricin (ungehindert ins Torzentrum) die Situation ausnützen. Eskalation am Spielfeld, Ekstase auf den Rängen. Ein wahrlich schöner Torjubel, gefolgt von einem „Wenn wir hier stehen…“, bei dem seit langem auch wieder einmal das restliche Stadion euphorisch aufsprang, mitklatschte und mitsang.

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Doch bekam man zu diesem Zeitpunkt das Gefühl nicht weg, dass die Drangperiode der Grazer zuvor eigentlich schon wieder längst vorbei war. Eine wirklich starke zweite Hälfte mit vielen Chancen – aber eben nur bis zur 70. Spielminute. Dennoch wurde es knappe zehn Minuten vor Schluss noch einmal richtig laut, hitzig, geladen und hasserfüllt. Der Grund war ein taktischer Schachzug von der Seitenlinie – doch nicht Foda, sondern sein Gegenüber (Michael Baur) tätigte diese. Roman Wallner. Er kam, sah und wurde wie immer in Graz sehr liebevoll in Empfang genommen. Wenn man diesen Namen liest, assoziiert man genauso die Namen Edi Glieder, Christian Mayrleb, Hans Krankl oder Robert Dienst damit. Kaum ein anderer Spieler hatte in Österreich mehr Vereine und kaum ein anderer machte mehr Tore gegen uns (bisher 18 Tore mit 5 unterschiedlichen Klubs). Dazu kommen die Geschichten mit seinen Vertragsstreitigkeiten, als er 17-jährig von Sturm unbedingt zu Rapid wollte und sein Stinkefinger in Richtung eines Längsseitenbesuchers im Dress des LASK 2009. Von seiner Einwechslung weg wurde die Stimmung noch einmal besser – mit ein Grund, dass der Funke noch einmal auf die Mannschaft übersprang und das 1:0 doch noch fiel. Der erste Heimsieg seit einer gefühlten Ewigkeit (02. August, 4:2 gegen SC Wr. Neustadt) war perfekt. Sturm hat den ersten Schritt zurück in Richtung der angepeilten und ausgerufenen Heimmacht getan. Dazu war es das vierte ungeschlagene (Pflicht-)Spiel in Serie. Dementsprechend wurde die Mannschaft verdientermaßen – begleitet von Steinbäckers wohltuendem „Steiermark“ – enthusiastisch verabschiedet.

Anstatt jetzt völlig in unreflektierte Jubelströme zu verfallen, heißt es vielmehr auf die weitere Entwicklung in der Mannschaft – und vor allem die Entwicklung hinter den Kulissen in Messendorf – zu schauen und diese aufmerksam über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Seinen Stempel hat Foda in dieser kurzen Zeit Sturm bislang maximal sportlich, im Feinschliff der Spielvorbereitung, aufgedrückt. Der Sieg ist positiv und wichtiger Balsam, aber (noch) nicht mehr. In zwei Wochen geht es in Wiener Neustadt weiter, die Wien-Woche darauf wird wirklich zeigen, was heuer drin ist.

-Benny-

Fotos: Klassische Version | Mobile Version

Video von Sturmtifo