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Europacup-Appetizer: Bate Borisov

Once upon a time: Bate Borisov

Morgen, Freitag, wissen wir endlich mehr. Denn die Auslosung zur 3.Runde der Europa League steht an. Dortmund, Genua oder London könnte es werden. Ziemlich sicher jedenfalls wird uns die Losfee diesmal einen attraktiven Gegner aus dem Töpfchen ziehen. Und selbst wenn nicht: Auch der altbekannte Osten hat viel zu bieten. Manche jener Spiele, die man als eingefleischter Schwoazer in den letzten Jahren ebendort besuchen durfte, mauserten sich gar zu legendären Klassikern der schwarz-weißen Fanhistorie. An einen dieser Trips darf nun an dieser Stelle erinnert werden. Als Europacup-Appetizer sozusagen…

Back to 2011: Bate Borisov und der Traum von der Champions League

Begeben wir uns nun also auf eine Reise knapp 4 Jahre in die Vergangenheit. Zu jenen Tagen, in denen wir vorerst zum letzten Mal konkret diese ganz besondere Luft erhaschen und jene edle Melodie berechtigt vor uns her summen durften. Vier Spiele waren bereits gespielt, eines in Klagenfurt, eines in Graz, eines in Szekesfehervar und eines in Tiflis. Videoton und Zestafoni waren jene Gegner, die schließlich knapp besiegt wurden und uns den Aufstieg ins Play-Off bescherten. Ins Champions League Play-Off wohlgemerkt. Und so saß man damals, am 5. August 2011, gespannt vorm Fernseher und sehnte so wie morgen einen attraktiven, doch machbaren Gegner herbei. Schließlich aber wurde es „nur“ Bate Borisov. Doch es ging zumindest nach Minsk in die weißrussische Hauptstadt und nicht in das bei uns weitgehend unbekannte Städtchen Baryssau, die Heimat von Bate.

Vor dem Start: „Wir sind da mit Reisebus…“

11 Tage waren nun also Zeit, den Trip in das vielleicht autoritärste Regime des europäischen Kontinents zu organisieren. Es war an den Verantwortlichen von Sturm, eine leistbare Flugreise in die 2 Millionen-Metropole bereitzustellen. Visa mussten besorgt werden. Urlaub musste her. Manch einer wütete ob des Gegners. Und kaum jemand ahnte zum Zeitpunkt der Auslosung, dass das größte Ungemach erst Einzug halten würde. Denn ein Flug kam nicht zu Stande und andere Optionen mussten her. Bei drängender Zeit entschloss man sich schließlich, auf eigene Faust einen Reisebus nach Belarus zu organisieren. Eine Fahrt nach Wien zur Besorgung des Gruppenvisums blieb dabei nicht aus.

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Schnell hastete man zum nächstbesten Fotoautomaten, ließ sich ohne Lächeln fotografieren und drückte dem nach Wien Reisenden voller Dankbarkeit für sein Engagement ihr oder sein missglücktes Passfoto in die Hand, im Wissen, das Gruppenvisum alsbald erfolgreich in Händen halten zu müssen. Verpflegung wurde besorgt, das Nötigste gepackt, 200 Euro für den Bus besorgt und der Ausflug konnte beginnen. Beinahe. Zuerst begab man sich noch in die Tiefgarage des Stadions und sprayte folgendes allseits bekannte Spruchband, welches mehr oder weniger dezent die damaligen Organisationsmängel des SK Sturm adressierte: Wir sind da mit Reisebus, da kein Flug nach Belarus. Danke für nichts.

Final Destination: Minsk, Weißrussland. 1.425 km

Und so begann sie, diese unvergessliche Reise. Start: Graz-Liebenau. Ziel: Minsk. Entfernung: 1.425 km. Geplante Fahrtzeit: Rund 25 Stunden. Zu durchquerende Länder: Österreich, Tschechien, Polen und eben Weißrussland.

Los ging es für die rund 40 Mitreisenden montags um die Mittagszeit, am 15. August 2011. Vor beinahe 4 Jahren. Bei 50 verfügbaren Plätzen versuchte man natürlich, einen Doppelsitz für sich alleine zu ergattern, um in der wohl kurzen Nacht den bestmöglichen Schlaf zu erhaschen. Denn aus Erfahrung wusste man: Eine Tagesfahrt im Reisebus würde durchaus Strapazen bedeuten – da kam jede Erleichterung gelegen. So denn auch das erste Bier, welches man vorsorglich bereits bei der Abfahrt öffnete. Jenes Bier, welches in der ersten Kurve auch sogleich gen Boden stürzte und die Umgebung samt benachbarter Insassen in eklige Nässe hüllte. Blöd gelaufen. Doch der schwache Trost dabei: Die Reise dauerte gar so lange, dass man bei Ankunft leicht dreimal wieder trocken sein würde.

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On the road, Part 1: Von Graz zur weißrussischen Grenze

Mit Kartenspielen, regelmäßigen Pausen und der Vorfreude auf das Ertönen der Champions League Hymne hielt man sich bei Laune, fuhr durch die Steiermark, durch Niederösterreich, war längst wieder trocken, tingelte durch Tschechien und erreichte schließlich Polen, welches man bei Nacht durchquerte. Im Bus wurde es von Stunde zu Stunde ruhiger und man versuchte schließlich, auf seinem glücklich eroberten Doppelsitz dann doch besagten Schlaf zu erhaschen. Das Letzte, was man schlaftrunken wahrnahm, war ein kurzer Halt in der wunderschönen Stadt Krakau.

Morgen war’s geworden und die weißrussische Grenze stand an. Gerüchten zufolge, die man vom letzten Reisetrupp nach Belarus vernahm, könnte es an jener Grenze durchaus vonnöten sein, dass man Schmiergelder abliefern müsse, um sie in angemessener Zeit passieren zu können. Nun gut. Man war auf alle Eventualitäten vorbereitet und hatte gar einen Russisch-Studenten an Bord – sowas konnte nur nützlich sein. Und war es schließlich auch. Drei Stunden Wartezeit an der tristen polnisch-weißrussischen Grenze blieben uns dennoch nicht erspart.

Aufsehen und Diskussionen rief unter anderem hervor, dass eine Person am Gruppenvisum fehlte. Ja, meine Güte! Die war halt nicht dabei… So locker sah man das in Belarus jedoch nicht. Schließlich durfte man nach einigem Hin und Her aber dann doch noch einreisen. Womöglich vor allem auch deswegen, weil sich jeder eine gigantische 2-Euro-Reiseversicherung aufschwatzen lassen musste und das ein oder andere Bier den Besitzer wechselte. Erwähnenswert erscheint außerdem, dass der Reisetrupp ab diesem Zeitpunkt von einem Wagen der Polizei oder des Militärs begleitet wurde. Im Bus selbst nahmen zwei mit mutmaßlichen Kalashnikovs bewaffnete Uniformierte an vorderster Stelle Platz, starrten stundenlang ohne den Kopf zu wenden oder Worte zu wechseln nach vorn auf die Landstraße und verließen uns erst wieder, als wir in Minsk ankamen. Bis dorthin waren es allerdings noch einige hundert Kilometer.

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On the road, Part 2: Weißrussland

Zuerst querte man die sagenhaft hässliche Grenzstadt Brest, ein Relikt sowjetischer Zeiten, um hernach bis zum Zielpunkt besagter Landstraße folgen zu dürfen. Und man muss dann doch festhalten: Schön war und ist sie schon, diese Landschaft, die an uns vorbeizog, mit den kleinen, hie und da auftauchenden, idyllisch wirkenden Häusern inmitten osteuropäischer Natur. Eines aber blieb ganz besonders in Erinnerung: Jenes Verkehrsschild nämlich, welches knapp vor Minsk unsere Aufmerksamkeit weckte: Moskwa, 700 km. Wahrlich geschlaucht von den rund 26 Stunden, die man bereits hinter sich hatte, überwältigt von Mattheit und Lethargie, verfiel man bei dessen Anblick beinah in euphorische Fantastereien. Ja, warum denn nicht… fahren wir weiter nach Moskau. Auch schon egal und kultig wäre es allemal. Daraus wurde natürlich nichts, aber es beschreibt die absurd anmutende Situation und Stimmung, in die man sich mittlerweile halb neben einem stehend gerne fallen ließ.

Die ersten Blockbauten der Kapitale tauchten auf, zuerst kaum schöner als jene in Brest, und jenes Gefühl, jene kollektive Stimmung, die sich langsam seit Stunden immer mehr und mehr aufzubauen begann, erreichte einen ersten Höhepunkt. Hier sind wir nun, nach 26, 27 oder 28 Stunden, wer weiß das noch so genau, erreichen Minsk und all jene Strapazen der ewig langen Reise sind keine Rede mehr wert. Jeder Gedanke daran, ob es die richtige Entscheidung war, sich für mehr als einen Tag in dieses enge Gefährt zu setzen, waren von einer Sekunde zur anderen vergessen! Wir sind hier! Wir sind Europacup! Ois für die Schwoazn!

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Le grand final: Minsk und das Spiel

Und es kam noch besser! Als wir die triste Vorstadt Minsks hinter uns ließen und ins Zentrum vordrangen, breitete sich ein unerwartetes Juwel vor uns aus. Denn als wir geschlaucht und glücklich dem Bus entstiegen, nur um ihn Stunden später für die Heimreise erneut zu besteigen, betraten wir eine der vielleicht schönsten Städte, in die uns Sturm jemals gebracht hat. Die Hauptstadt von Belarus. Dort an der Strandbar eines unaussprechlichen Flusses sitzen und bei wunderbarem Wetter ein erfrischendes Getränk genießen… Durch die wunderschönen Straßen schlendern und neugierige Blicke der gastfreundlichen Bewohner ernten… Zu Billigstpreisen einheimische Kost goutieren… That’s it: Fremde Städte und Kulturen erleben. Orte, die man vielleicht nie besuchen würde… Ja, es ist immer eine Reise wert. Vollkommen egal, wie der Gegner auch heißen mag!

Und dann natürlich das Spiel… Vor 15.550 Zuschauern im Stadion von Dinamo. Kaum 50 davon waren wir. Den Umständen der Reise entsprechend dennoch erstaunlich viele. Und hier nun durften wir sie endlich erstmals seit neun Jahren hören: Die Hymne zur Champions League. Viele von uns wohl zum ersten Mal… Und ja, man kann viel Kritik an UEFA und FIFA üben. Man kann den modernen Fußball zur Genüge und zu Recht ob des Kommerzes kritisieren. Eines kann man an dieser Stelle, dort vor Ort im Oval des Stadions, dennoch nicht unterdrücken. Diese Gänsehaut… Dieses unbeschreibliche Gefühl. Dieser eine Moment… Dieser unglaubliche eine Moment…

12. Minute. Manuel Weber. Tor. 0:1, Sturm Graz. Im Play-Off der Champions League! Den Fuß in der Tür. Ekstase. Jubel. Unglaublicher Jubel. Es gibt kein Halten mehr. Man fühlt sich im Himmel. Unfassbar! Ende.

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Resümee: Immer und immer wieder!

Ja. Keine Frage. Es war es wert! Jeden Cent. Jede Sekunde. Jede Strapaze. Selbst das 1:1 konnte daran nichts ändern. Denn das ist Europacup. Das muss man einfach mal erlebt haben! Und ein Mitbringsel hatten wir auch zu bieten. Immer wieder hallte es durchs Stadion in Minsk. Dieser Klatscher. Dieser eine Klatscher, den wir in abgeänderter Form nun nur allzu gut als unseren Sturm-Klatscher kennen. S T U R M * * G R A Z ! ! Auch das hat der Europacup zu bieten.

Und selbst wenn man sich auf der langen Heimreise manchmal nichts sehnlicher wünschte, als endlich zu Hause im eigenen Bett zu liegen. Man wird es nie bereuen, dabei gewesen zu sein. Bei keinem Trip, der uns quer durch Europa führt. Nicht in der Vergangenheit. Nicht in der Zukunft. Keine Fahrt wird je vergessen sein. Denn jede Fahrt hat ihre unvergleichlichen Momente. Auch jene, die wir in Kürze antreten werden. Vollkommen egal, ob uns die Losfee nun nach Dortmund, Genua oder London schicken wird. Oder doch nur nach Krasnodar, Kasan oder Luhansk. Es ist die Reise wert. Es ist die Reise definitiv wert! Und egal wo. Egal bei wem. Es wird wieder ertönen. Wir alle werden einmal mehr ois für die Schwoazn geben: GEMMA!

S T U R M * * G R A Z ! !