Es war ein durchwegs gelungener Tag. Rund 3000 Sturmfans treffen sich ab Mittag in der Gruabn, schwören sich auf das Derby ein, haben Spaß und marschieren zum Liebenauer Stadion. Auch dort passt alles wunderbar. Kein Stress beim Einlass. Die Stimmung toll. Eine gelungene Choreografie auf der Tribüne. Ein feiner 3:0 Sieg am Feld.
Man muss schon nach dem sprichwörtlichen Haar in der Suppe suchen, um am Tag danach negative Stimmung gegen Sturm und seine Fans machen zu wollen. Genau das ist allerdings in der Kleinen Zeitung passiert. „Derby-Bilanz der Exekutive: Sturm-Fans attackierten Polizisten“ stand als Headline auf der Website des steirischen Medienhauses, nur um dann im Artikel selbst einzuräumen, dass eh nichts passiert ist.
Selbst laut Polizei, deren Aussendungen und Statements nicht selten einen ähnlich flexiblen Umgang mit der Wahrheit offenbaren, verlief der Fußballabend nämlich durchwegs friedlich. Sie sprach im selben Artikel von einem „sehr ruhigen Derby ohne nennenswerte Vorfälle“.
Das war der Zeitung aber wohl nicht reißerisch genug und so musste im weiteren Textverlauf auch das 23er-Derby wieder aufgekocht werden: „Im November 2023 stürmte eine Gruppe von Sturm-Fans einen GAK-Fanshop. […] Die fünf mit Eisenstangen bewaffneten Männer hatten damals sogar dafür gesorgt, dass das Derby fast abgesagt wurde.“ Mit den fünf Männern bezieht man sich wohl auf die fünf Personen, die kürzlich aufgrund der Vorfälle vor Gericht gestanden sind. Dass zwei davon freigesprochen wurden, ist dem unbekannten Verfasser wohl entgangen. Und mit einer tiefenpsychologischen Analyse über die journalistische Lust daran, Eisenstangen herbeizuschreiben, ließen sich im Übrigen Bände füllen. Besonderes Schmankerl: Der Bericht erwähnt auch „elf ausgestellte Organmandate, weil einige Fans innerhalb des Halte- und Parkverbots ihre Autos abstellten“. Unfassbare Grenzüberschreitungen, die hier dankenswerterweise für die interessierte Öffentlichkeit dokumentiert werden.
Aber Spaß beiseite: Die Konstruktion von Skandalen im Fußballkontext hat – auch befeuert durch die Arbeit der seit 2024 tätigen Ermittlungsgruppe „Szenetypische Gewalt“ – in den letzten Jahren ein unerträgliches Ausmaß angenommen. Blickt man in die Kleine oder qualitativ ähnlich hochwertige Blätter wie Krone oder MeinBezirk kann man den Eindruck bekommen, dass in Liebenau laufend Mord und Totschlag herrschen und niemand mehr mit Kindern ins Stadion gehen kann (wobei diejenigen, die das gebetsmühlenartig in den Kommentarspalten behaupten, im Übrigen vermutlich noch nie ein Stadion von innen gesehen haben). Dass Geschichten schlecht recherchiert, aufgebauscht und bewusst oder unbewusst mit Unwahrheiten angereichert werden, versteht sich von selbst. Keine Ereignisse auf anderen Großevents ziehen auch nur ansatzweise ein solches Echo nach sich. Oder hat man jemals nach der Formel 1 oder der MotoGP von einem „Wochenende der Gewalt“ gelesen, wenn dort ein paar Watschn geflogen sind?
Wir haben es jedenfalls satt. Wir haben es satt, uns bei Familienmitgliedern oder in der Arbeit für Geschichten rechtfertigen zu müssen, die so nicht stattgefunden haben oder die niemand wahrgenommen hat. Wir haben es satt, unsere Bewegung ständig pauschal verunglimpft zu sehen, satt, dass das Spektakel, das wir Woche für Woche unter enormem Einsatz für den SK Sturm veranstalten als Grenzüberschreitung diskreditiert wird. Wir werden unsere Konsequenzen daraus ziehen und uns in nächster Zeit vermehrt mit Richtigstellungen zu Wort melden.
Dass die Kleine Zeitung die ursprüngliche reißerische Clickbait-Schlagzeile letztlich online und für die Printversion abgeändert hat, zeigt zumindest, dass der Hauch eines Problembewusstseins vorhanden ist. Ob das ausreicht, um dem journalistischen Anstand gerecht zu werden, mit dem sich die Kleine Zeitung preist, ist hingegen fraglich. In der Präambel des österreichischen Presserates heißt es jedenfalls: „Sobald eine Redaktion zur Kenntnis gelangt, dass sie eine falsche Sachverhaltsdarstellung veröffentlicht hat, entspricht eine freiwillige Richtigstellung dem journalistischen Selbstverständnis und Anstand.“ Wir sind gespannt, aber wenig zuversichtlich. Berichterstattung und Recherchen, die über das Abtippen von Polizeiberichten und Agenturmeldungen hinausgehen, sind in der krisengebeutelten Branche wohl nicht mehr drin. Und Hetze verkauft sich eben besser als Objektivität. Selbst dann, wenn man mangels negativer Ereignisse gar auf Falschparker zurückgreifen muss.
